Reise nach Jerusalem ums Fehntjer Tief

Grüne im Kreistag unterstützen Naturschutz-Pläne der Kreisverwaltung

Der Kreistag in Aurich ist Anfang Mai seiner Verantwortung gerecht geworden. Mit breiter Mehrheit wurde der Auricher Teil des Fehntjer Tiefs als Natur- und Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. In Leer spielt die Musik noch eine Runde und die Öffentlichkeit erlebt ein Gefeilsche der Volksparteien zu Lasten der Umwelt. Die Grünen sind baff über das Gebaren der beiden großen Fraktionen im Leeraner Kreistag kurz vor der Kommunalwahl. „Aus unserer Sicht ist der überarbeitete Entwurf der Verwaltung ein weitreichendes und ausgewogenes Kompromissangebot“, erklärt der Fraktionsvorsitzende Tammo Lenger. Rainer Kottke, Fraktionsmitglied aus Moormerland, ergänzt: „Sowohl den betroffenen Landwirten als auch den Umweltverbänden werden Zugeständnisse abverlangt, die für beiden Seiten schmerzlich sind. Das ist bei fairen Kompromissen so.“ Der Entwurf der Verwaltung beruht auf umfangreicher Beteiligung, Anhörung und Beratung der Betroffenen. Deshalb erhält er die volle Unterstützung der Grünen Fraktion. In der 13. Stunde, nach dem Votum aus Aurich, so eine Salamitaktik anzuwenden ist keine seriöse Politik.

Hintergrund:

Die Ausweisung des Fehntjer Tiefs ist Teil einer großen EU-weiten Umweltschutzmaßnahme für gefährdete Lebensräume sowie gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Mehr als 10 Prozent der niedersächsischen Landesfläche wurden der Brüsseler Behörde als schützenswert gemeldet. Das Fehntjer Tief ist eines der letzten Areale, das noch nicht rechtlich in einer entsprechenden Verordnung umgesetzt wurde.

Nach der Auslegung des ersten Verordnungsentwurfs mit einem gelungenen Mix aus Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten gingen zahlreiche Stellungnahmen im Leeraner Kreishaus ein. Um das Vorhaben nicht zu gefährden, zeigten sich die Fachabteilungen der Kreisverwaltung entgegenkommend. Selbst der Anwalt der Landwirte sprach am Ende von aus seiner Sicht zu 95 Prozent erfolgreichen Verhandlungen. Doch 95 Prozent sind offenbar nicht genug für CDU und SPD. Gleich 250 Hektar wollen die Christdemokraten als Naturschutzgebiet streichen. Etwas bescheidener wirkt der 150-Hektar-Vorschlag der SPD. Was übrig bliebe, wäre eine „Gebietsverordnung-Light“. Ob das Umweltministerium in Hannover und die EU sich so durch die Manege ziehen lassen, ist zweifelhaft, denn ob diese Ideen noch den rechtlichen Anforderungen der Europäischen Union standhalten würden, ist mindestens fraglich.

2019 hatten sich neben den GRÜNEN alle Parteien unter dem Eindruck der Klimabewegung „Fridays for Future“ im Kreistag zum Klima- und Umweltschutz bekannt. Zwei Jahre später aber werden konkrete Maßnahmen wie der Erhalt des wertvollen Fehntjer Tiefs nur noch mit der Kneifzange angefasst und der Schutzgedanke gezielt ausgehöhlt.

Um das Volksbegehren Artenschutz abzuwehren, hatte sich die Landesregierung aus SPD und CDU letztes Jahr noch gleichermaßen um Landwirte wie Umweltverbände bemüht. Im Kreis Leer erfolgt nun der Rückfall, im Zweifel dem Druck nachzugeben und gegen die Umwelt zu entscheiden. Letztlich ist das Verhalten beider Parteien im Kreis Leer darum auch ein Bärendienst für die Vereinbarung zum Natur-, Arten- und Gewässerschutz auf Landesebene (sog. Niedersächsischer Weg).