Als Albrecht Weinberg nur noch Nummer 116 927 war

Esther Bejarano, Albrecht Weinberg. Gerda Dänekas

Holocaust-Überlebender feierte 95. Geburtstag

Kürzlich feierte der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg seinen 95. Geburtstag in Leer. Er überlebte als junger Mann nicht nur Auschwitz sondern wurde auch noch nach Mittelbau-Dora zur Zwangsarbeit verschleppt. Er besucht immer noch Schulen und berichtet Jugendlichen von den schrecklichen Geschehnissen in Nazi-Deutschland und der Judenvernichtung.

Anlässlich einer Feierstunde hielt Bruno Schachner, stellvertretender Bürgermeister, der GRÜNEN in der Stadt Leer,  eine Ansprache, die wir hier im Wortlaut wiedergeben:

„Im April 43 kamst Du nach Auschwitz, Auschwitz Monowitz. Zwischen den zehntausenden von Häftlingen und Zwangsarbeitern bist Du vielleicht auch einem Mann begegnet, der kurz nach seiner Befreiung 1945 detailliert über die unmenschlichen Bedingungen in Monowitz geschrieben hat: Primo Levi. Du und viele von uns werden seine Bücher kennen. Eines heißt: „Ist das ein Mensch?“

Ihr alle solltet in Auschwitz keine Menschen mehr sein, keinen Namen mehr haben, nur noch eine Nummer:

Albrecht Weinberg jetzt nur noch Nummer 116 927
Primo Levi Nummer 174 517

Und wie Du Dich manchmal wunderst, wie Du dort alles überleben konntest, hat auch Levi darüber nachgedacht und darüber geschrieben, warum er Auschwitz überlebt hat. Er schreibt:
„Was das Überleben angeht: Diese Frage habe ich mir ebenso oft gestellt, wie das andere taten.
Ich bestehe darauf, dass es keine allgemeine Regel gab, außer dass man gesund ins Lager kommen und deutsch können musste. (Und Albrecht war ja glücklicherweise noch gesund, 18 Jahre alt).
Abgesehen davon herrschte der Zufall.“

Doch dann erwähnt Primo Levi noch einen Glücksfall, der auch eine entscheidende Rolle spielte.: Er lernte einen italienischen Maurer kennen – einen kräftigen und geschickten Mann, der ihm immer bei seiner schweren Arbeit geholfen hat. Sonst hätte er nicht überlebt.

Und ein solcher Glücksfall ereignete sich auch für Albrecht. Bei einem der täglichen Appelle traf er seinen Bruder Dieter wieder. Die beiden schafften es, in dieselbe Baracke zu kommen, sodass der große Bruder den kleinen (Spitzname Krümel) so gut es ging beschützen konnte.

„Ich glaube nicht, dass ich das Lager ohne meinen Bruder überstanden hätte,“ so Albrecht.
An diesem Tag heute soll deshalb auch an Albrechts Bruder Dieter und an seine Schwester Friedel erinnert werden, die auch Auschwitz, die Todesmärsche und andere Lager überlebt haben.

Dieter lebte nach seiner Rückkehr für kurze Zeit hier in diesem Gebäude, in der ehemaligen jüdischen Schule. Albrecht und Friedel haben ihn hier besucht. Dieter ist wenige Jahre später bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen.

Und noch einmal Primo Levi. Er schreibt in „Die Untergegangenen und die Geretteten“:
Ich wiederhole, wir die Überlebenden (z.B. er und Albrecht), wir die Überlebenden sind nicht nur eine verschwindend kleine, sondern auch eine anormale Minderheit. Wir, die Überlebenden, sind die, die den tiefsten Punkt des Abgrunds nicht berührt haben. Die Untergegangenen sind die Regel, wir sind die Ausnahmen.

Zu den Untergegangenen, die den tiefsten Punkt des Abgrunds berührt haben, gehören Albrechts Eltern, Alfred und Flora Weinberg. Auf der heutigen Geburtstagsfeier ihres jüngsten Sohnes soll auch an Albrechts Eltern erinnert werden.“