OV-Vorsitzende spricht an Leeraner Passionspunkt

Passionspunkt Seeschleuse in Leer

Zu den Themen „Klimawandel in Leer und die „Flut von hinten“ – Überschwemmungen/Überflutungen und aktuelle andere, mögliche klimatische Krisen und Katastrophen“ sprachen Mechthild Tammena, Vorsitzende der Grünen in der Stadt Leer und Meint Hensmann, Oberdeichrichter im Rheiderland, am diesjährigen Passionsort „Seeschleuse“.
Organisiert werden die PASSIONSPUNKTE von der Luther-, Christus- und Pauluskirche sowie der Ev. Lutherischen Kirche in Kooperation mit dem Heimatverein Leer e.V.

Die Rede von Mechthild Tammena könnt ihr hier nachlesen:
Wir stehen hier an der Seeschleuse und bestaunen das riesige Bauwerk. Da stellt sich doch die Frage, wie es zu diesem gigantischen Bau überhaupt gekommen ist?
Im 19. Jahrhundert spornte die Konkurrenz zu Emden und die Aussicht, von dem geplanten Dortmund-Ems-Kanal zu profitieren, die Stadt Leer zu erheblichen Anstrengungen für den Hafenausbau an.
Bisher bot die Ledaschleife für die Binnenschifffahrt auf Ems und Leda wie für die Seeschifffahrt durch ihre geschützte Lage von jeher einen idealen Naturhafen und als Liegeplatz für ankernde Schiffe einen sicheren Schutz vor Herbst- und Winterstürmen. Allerdings blieb der Zugang zum Hafen zumindest für größere Schiffe tideabhängig.  1894 hatte der Wasserbauinspektor Duis die Idee, die Halbinsel Nesse an ihrer schmalsten Stelle – also dort wo die Leda im 18. Jahrhundert schon einmal durchzubrechen drohte – zu durchstechen und die Zufahrt von der begradigten Leda zu der Ledaschleife durch eine Schleuse zu regeln. Diese Idee fand Anklang und so wurde in der Zeit von 1901 bis 1903 die Seeschleuse gebaut. Der Leeraner Hafen ist somit seit 1903 tideunabhängig. Die Seeschleuse hat eine Länge von 192 Metern und ist 26 Meter breit. Der Tidenhub der Leda beträgt durchschnittlich 3,40 Meter. In den letzten Jahren wurden immer wieder Erneuerungsmaßnahmen und technische Umrüstungen an der Seeschleuse durchgeführt. Auch wenn diese Maßnahmen nicht ganz preiswert waren, so sollte uns allen bewusst sein:  Ohne Seeschleuse wäre die Nutzung des Hafens für Wirtschaft und Tourismus heute nur sehr eingeschränkt möglich.

Der Ausbau des Hafens hatte noch weitere positive Folgen. Schwere Sturmfluten waren im 19. Jahrhundert mehrfach eingetreten, so etwa 1825, 1877, 1883 und zuletzt noch 1901, als der Schleusenbau schon begonnen hatte. Um den Fluten entgegen zu wirken, entschloss sich die Stadt für eine weitreichende Eindeichung der gesamten städtischen Gemarkung. 1906 hielten die Schleuse und die Deiche der Sturmflut stand und seit der Zeit hat es keine größeren Überschwemmungen mehr in der Stadt gegeben.

Wie sieht es heute – im Zeichen der Klimaveränderungen – mit dem Deichschutz aus? 

Die Nordsee ist ungefähr 60 km von hier entfernt und wir sind über die beiden Tidegewässer Leda und Ems mit ihr verbunden.  Dass das Wasser steigt und fällt, ist typisch für die Nordsee. Doch unabhängig vom Takt der Gezeiten steigt der Meeresspiegel seit Jahrzehnten.
Meereswissenschaftler gehen davon aus, dass bis 2100 das Wasser einen Meter höher auflaufen könnte als noch vor hundert Jahren. Das hätte zur Folge, dass bei weiter steigendem Meeresspiegel Watt und Salzwiesen dauerhaft überflutet werden könnten, die Deiche den Wassermassen nicht mehr Stand halten und ganze Landstriche dem Wasser übergeben werden müssten.

Weitere Gefahren, die uns alle zum Jahreswechsel überrascht haben, waren die Überflutungen im Binnenland, die durch den Starkregen verursacht wurden. Deiche waren durch den andauernden Regen so stark aufgeweicht, dass sie drohten, zu brechen. Der Boden konnte keinen Regen mehr aufnehmen. Darauf war die Bevölkerung nun gar nicht eingestellt. Nur durch den Einsatz tausender freiwilliger HelferInnen, Feuerwehr/ THW / Bundeswehr und hunderttausende Sandsäcke konnte das Schlimmste verhindert werden. Und wieder hat uns die Natur gezeigt, wie sehr wir den Naturgewalten ausgeliefert sind, wie brüchig und unzureichend unsere Vorkehrungen sind.
Wir hier in Leer hatten Glück und sind noch glimpflich davon gekommen. Wir hatten zu der Zeit keine Sturmfluten,  so dass das Wasser aus dem Hafen und aus dem übrigen Stadtgebiet über die Schleuse über die Leda/Ems  in die Nordsee ablaufen konnte.  Es hätte anders kommen können.

Und wieder müssen wir feststellen, dass auch diese heftigen Regeneinbrüche Folgen des Klimawandels sind. Der Klimawandel , das ist uns allen bewusst, wird sich auf jeden Fall noch viele Jahrzehnte weiter fortsetzen beziehungsweise bemerkbar machen – auch bei uns.  Globale Erwärmung, Starkregen, Hitzewellen und Anstieg der Meere: Dies sind nur einige Schlagworte, die für den menschengemachten Klimawandel stehen.

Um sein Ausmaß und die damit einhergehenden schweren Folgen zu begrenzen, müssten wir den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch und schnell reduzieren. Doch um das durchzusetzen, müssten wir vieles und vor allem unser eigenes Verhalten drastisch ändern, doch dazu ist kaum jemand bereit.

Da wir unser Verhalten nur in Maßen verändern wollen – und leider auch nur werden- , ist es unerlässlich, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Die Deiche müssen sowohl im Binnenland wie auch an der Küste gesichert werden, Auen, Überflutungsflächen müssen angelegt werden , Flächen müssen entsiegelt werden und weitere intelligente Schutzvorrichtungen müssen überlegt werden. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben, doch auch die Seeschleuse und die Deiche waren im 19.Jahrhundert nicht zum Nulltarif zu haben. Auch damals musste Geld in die Hand genommen werden. Somit wäre es gut, wenn wir genauso weitsichtig wären wie die Stadtväter zu Anfang des 20. Jahrhunderts, die erkannt haben, dass mit dem Deichbau und der Schleuse sowohl der wirtschaftliche Aufschwung wie auch der Küstenschutz – und damit das Leben der Menschen hier in der Region –  vorangetrieben und geschützt werden.