Waffenlieferungen an die Ukraine?

Auf dem Parteitag der Grünen zum Ukraine-Krieg wurde beschlossen , dass die Grünen mit aller Entschlossenheit der Aggression des russischen Regimes entgegentreten. Dies geschehe „durch Hilfe, Aufnahme von schutzbedürftigen Menschen und Diplomatie, aber auch durch schnelle und konsequente Sanktionen, Unterstützung mit wirksamen, auch schweren und komplexen Waffen“.
Es ist beschlossen, die Grünen treten für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ein. Diese Entscheidung hat an der Basis in Leer zu heftigen Diskussionen geführt. Einige Statements grüner Mitglieder könnt ihr hier nachlesen. Gerne dürft ihr uns dazu eure Meinung mitteilen.

 

Mechthild Tammena, Ortsvereins-Vorsitzende der Grünen in der Stadt Leer:
„Seit bald vierzig Jahren bin ich nun bei den Grünen und habe in dieser Zeit die Parolen „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Schwerter zu Pflugscharen“ vehement vertreten. Gerade die pazifistische Haltung der Grünen war damals ein Grund für mich, bei den Grünen einzutreten. Und nun – fast vierzig Jahre später? Nichts ist mehr so, wie es mal war. Wer hätte es für möglich gehalten, dass die Grünen Waffenlieferungen in die Ukraine – in ein Kriegsgebiet – zustimmen. Doch was wäre die Alternative?  Mit Diktatoren wie Putin ist eine diplomatische Lösung nicht möglich. Würde die Ukraine nicht mit Waffen versorgt, müssten wir zulassen, dass Russland das Land besetzt und sich einverleibt. Wollen wir das? Mit den Waffenlieferungen leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe, denn offensichtlich wollen die Ukrainer und Ukrainerinnen in einem freien Land leben.“

Hayo Hayunga, Beisitzer im Grünen-Ortsverein Leer:
„Waffenlieferungen in die Ukraine? Ja! Frieden ist ein hoher Wert und es gilt ihn einzuhalten. Doch um jeden Preis? Waffen werden Menschenleben bedrohen oder vernichten, werden Angst und Unfrieden schaffen. Doch ein Leben in Frieden ohne Menschenrechte, ohne Meinungsfreiheit ohne Selbstbestimmung? Ist das ein Leben in Frieden? Nein! Es ist ein fremdbestimmtes und unterdrücktes Leben.
Frieden ist mehr als das Schweigen von Waffen. Frieden bedeutet selbstbestimmtes Leben und die Freiheit, seine Ansicht zu äußern, ohne dass ich in Angst leben muss, weil es den Machthabern nicht gefällt. Genau dieses Leben ist in der Ukraine gefährdeter denn je. Es sind unsere Grundwerte. Es ist unsere Freiheit und unsere Art zu leben, die hier bedroht sind.
Frieden ist ein hoher Wert, doch es ist nicht der einzige Wert, der es verdient, verteidigt zu werden. Frieden und die demokratischen Werte schaffen ohne Waffen gelingt nur, wenn alle Parteien diesen Grundsatz verfolgen. Ansonsten ist Frieden schaffen ohne Waffen ein Offenbarungseid. Deswegen spreche ich mich für die Waffenlieferungen auch schwerer Waffen aus und bin trotzdem der Meinung, dass die Ostermärsche mit ihren Forderungen uns einen Weg weisen.“

Julian Pahlke, grüner Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Unterems:
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist eine Zäsur. Er ist völkerrechtswidrig und brutal. In diesem Kontext halte ich es für wichtig und richtig, die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung zu unterstützen – auch mit Waffen. Gleichzeitig gilt es, nicht selbst Kriegspartei zu werden und es muss klar sein, was mit den Waffen nach Beendigung des Kriegs passiert. Was mir persönlich wichtig ist, zu betonen: Das deutsche Engagement beschränkt sich nicht nur auf Waffen. Diplomatische Anstrengungen für eine friedliche Konfliktbeilegung, humanitäre Hilfe, um das Leid der Menschen in der Ukraine und der Geflüchteten zu lindern und die Unterstützung der Aufklärung und Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind mindestens genauso wichtig.“

Lüder Müller, grüner Landtagskandidat aus Leer:
„Kaum ein Thema wird derzeit so heiß diskutiert wie die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Diskussion mit dem offenen Brief von Alica Schwarzer und Co. volle Fahrt aufgenommen. Und das halte ich auch für richtig so. Ein offener Dialog mit hitzigem Diskurs zeigt, wie wichtig dieses Thema ist.
Für mich kommt diese Diskussion jedoch zu spät. Denn mit Kriegsbeginn wurde die Bundesregierung zur grundlegenden Entscheidung gezwungen, ob und wie sie sich zum Kriegsgeschehen positionieren will und welcher Seite sie in welchem Ausmaß ihre Loyalität zollt. Die Entscheidung fiel – wenn auch zurückhaltend – bereits mit der Lieferung von Helmen und der Einführung von Sanktionen gegen Russland. Insofern ist die Einmischung Deutschlands in den Krieg bereits erfolgt.
Bei der Diskussion um die Unterstützung der Ukraine steht die Verteidigung der westlichen Demokratie dem Tod von Menschen durch unsere gelieferten Waffen gegenüber. Wenn wir die Demokratie der Ukraine und unsere europäischen Werte schützen wollen, muss der Ukraine mit den uns verfügbaren Mitteln geholfen werden. Nur so ist der russische Vormarsch aufzuhalten und dadurch die Delegation Putins zurück an den Handlungstisch zu zwingen. Die Lieferung schwerer Waffen kann ein wichtiger Beitrag sein. Da aber auch die Lieferung schwerer Waffen keine Garantie für das Ende der Invasion ist, muss der diplomatische Weg immer gesucht werden. Denn die Entscheidung über Krieg oder Frieden trifft letztlich der russische Präsident.“