Wunde geschlossen durch aufrichtiges Trauern um fünf Widerstandskämpfer

Gruppenbild Gedenken Widerstandskämpfer Westerhammrich
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An der Gedenkveranstaltung haben Mitglieder der Leeraner GRÜNEN und der SPD teilgenommen (s. Foto).

April 1945. Im Nordwesten Deutschlands bahnte sich das Ende des zweiten Weltkriegs an. Begleitet von Auflösungserscheinungen allerorten, zogen versprengte Soldaten umher, die ihre Einheiten verloren hatten, weiße Fahnen wurden gehisst, die kanadischen Truppen erwartet. Anfang April erreichten sie die Grenzen der Provinzen Friesland und Groningen, am 16. April wurde die Stadt Groningen befreit.

Im nahegelegenen Ostfriesland begannen die verantwortlichen Behörden damit, die Zwangsarbeiter zu entlassen. Auch für die niederländischen Männer und Frauen, die meistenteils unfreiwillige Frondienste für das nationalsozialistische Deutschland leisteten, öffnete sich die Möglichkeit, wieder nach Hause zu gehen. Für viele ein langer Weg zu Fuß über die Grenze ins Heimatland.

Im befreiten Groningen machten sich daher 5 befreundete Niederländer, die während des Krieges im Widerstand aktiv waren, am 21. April 1945 mit einem deutschen Wehrmachtswagen und einem Lastwagen auf den Weg zur nahegelegenen Grenze in Neuschans, um möglichst vielen niederländischen Heimkehrern den Heimweg zu erleichtern.

In Neuschans kehrten sie arglos bei Bekannten ein, um eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Ihre Waffen ließen sie im Wagen liegen. Doch die nahe Grenzregion war noch nicht befreit. Einer deutschen Patrouille fielen die Wagen auf, die fünf Niederländer wurden verhaftet und nach Leer ins Polizeigefängnis gebracht. Soweit eine unspektakuläre Vorgehensweise. Ärgerlich für die Verhafteten, aber so kurz vor dem zu erwartenden Kriegsende konnte man mit einer schnellen Freilassung rechnen.

Anfang April fand der von seiner Truppe versprengte Gefreite Willy Herold in der Nähe von Gronau in einem verlassenen Wagen eine Hauptmannsuniform, die er sich aneignete. Als falscher Hauptmann zog er in Richtung Nordwesten und sammelte auf seinem Weg nach und nach weitere versprengte Wehrmachtssoldaten um sich.

Im weiteren Verlauf der Ereignisse trat er mit zwei Dutzend Männern als „Kampfgruppe Ewald“ auf, die mit einer angeblichen Befugnis direkt vom Führer Standgerichte und Exekutionen durchführte. Im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor, das zu den Emslandlagern gehörte, führte der falsche Hauptmann Herold über 100 Exekutionen durch und legte dabei auch selbst Hand an.

Als die Luftangriffe der Alliierten zunahmen, machte sich die „Kampfgruppe Ewald“ auf den Weg nach Leer. Ganz nebenbei wurde in Börgermoor noch der Landwirt Spark gerichtet, der eine weiße Fahne gehisst hatte.

Am 24. April erreichte die Mordtruppe die Ledastadt Leer. Willy Herold nahm dort Quartier im renommierten Hotel „Prinz von Oranien“ in der Brunnenstraße, seine Kumpane kamen im Gasthof „Schützengarten“ unter.

Am 25. April wird Willy Herold im Polizeigefängnis vorstellig, das sich damals noch im Rathaus befand. Ohne weiteres wurden ihm die fünf Holländer ausgeliefert. Im Schützengarten verurteilte er die „Spione“ in einem schnellen Standgericht zum Tode und ließ sie von seinen Kumpanen in den einsamen Westerhammrich führen. Am „Alten Weg“ (Toter Weg) hieß sie der falsche Hauptmann fünf Gräber ausheben und ließ die fünf Männer mit Kopfschüssen niederstrecken.

Diese fatalen Todesurteile über Johannes Gerhardus Kok, Kornelis Pieter Fielstra, Johannes Adrianus Magermans, Karolus Henricus Hubertus Magermans (Vater und Sohn) und Johannes Verbiest ließ deren Familien in Fassungslosigkeit erstarren. Sie waren Väter, Söhne, Ehepartner, die lange betrauert wurden und deren Schicksal einen tiefen Graben zwischen Deutschland und den niederländischen Familien hinterließ.

Erst der Kontakt, der von Kees Fielstra zur Stadt Leer gesucht wurde, um durch einen Besuch der Örtlichkeiten des Verbrechens Herolds einen Schlussstrich unter den Tod seines Vaters zu ziehen, den er nie hat kennenlernen dürfen, weichte die Mauer des Zorns auf.

Die Tatsache, dass die Vorkommnisse des 25. Aprils 1945 in Leer nicht vergessen waren, machte ein gemeinsames Erinnern möglich. Gedenktafeln wurden aufgestellt, eine Ausstellung der Geschehen gezeigt, Feierstunden gemeinsam begangen, Gespräche geführt, Kontakte aufrecht erhalten, das Verbrechen thematisiert. Eine Wunde wurde geschlossen durch aufrichtiges Trauern um die fünf Männer, die in Leer völlig sinnlos von einem Hochstapler ermordet wurden. Ein gemeinsames Erinnern wurde möglich.

Willy Herold wurde von einem britischen Militärgericht in Oldenburg zum Tode verurteilt. Am 14. November 1946 wurde er in Wolfenbüttel hingerichtet.